Frauenrelevantes im Nahverkehrsplan
(NVP) Grossraum Hannover 1997

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(in Klammern: Seitenzahlen im jeweiligen Abschnitt des NVP)

Der NVP wurde vom Kommunalverband Großraum Hannover aufgestellt.



AUSGANSSITUATION (BEDIENUNGSANGEBOT, VERKEHRSANLAGEN, VERKEHRSAUFKOMMEN)

Bestandsaufnahme verkehrserzeugender Strukturen erarbeiten
„Für eine systematische kleinteilige Analyse über Standorte von Einrichtungen und Institutionen sollte mittelfristig in Zusammenarbeit mit den Kommunen eine Bestandsaufnahme der verkehrserzeugenden Strukturen erarbeitet werden:

  • Wo liegen soziale und kulturelle Einrichtungen?

  • Welche Ortsteile verfügen nicht über grundlegende soziale und kulturelle Infrastruktur?

  • Welcher Bewegungsbedarf entsteht daraus?“ (3)

Gesamtverkehrsgeschehen im Großraum Hannover: Daten nicht geschlechterspezifisch differenziert

„Bisher unzureichend ist die Datenlage auch hinsichtlich der Mobilität von Frauen:

  • Verkehrserhebungen sind in den wenigsten Fällen geschlechterdifferenzierend ausgewertet,

  • Wege im Zusammenhang mit Versorgungsarbeit werden nicht oder nicht gesondert erfaßt,

  • die – für den Verkehrsalltag der meisten Frauen kennzeichnende – Kombination von Wegen ist mit den bisherigen Methoden nicht erfaßbar und wird daher ausgeblendet.

  • Alle diese Faktoren führen dazu, daß spezielle Mobilitätsbedürfnisse von Frauen „übersehen“ werden bzw. selbst dann, wenn sie formuliert werden, Kundinnenpotentiale nicht quantifiziert werden können.“ (13)

 
Unterschiedliche Mobilität von Männern und Frauen
„Hausfrauen, erwerbstätige Frauen und erwerbstätige Männer legen täglich annähernd gleich viele Wege zurück und brauchen pro Weg dafür etwa gleich viel Zeit. Der Unterschied besteht darin, daß Männer sich schneller und in einem größeren Radius bewegen. Bei gleicher Infrastrukturausstattung wählen Männer signifikant entfernter liegende Orte.“ (13)

Analyse der Berufspendlerströme: Verbindungen in benachbarte Orte gefragt
Es liegen für die Region Hannover keine geschlechterdifferenzierenden Daten vor. Grundsätzlich ist aber bekannt:
  • „Frauen benutzen auch für Arbeitswege durchschnittlich seltener als Männer ein Auto, dabei ist der Zeitaufwand für die Erwerbsarbeitsmobilität durchschnittlich bei Frauen und Männern gleich hoch.
  • Frauen bewegen sich eher im Nahraum, deshalb ist die Bedeutung angrenzender Orts- und Stadtteile hoch – besonders in der Kernrandzone sind Wegeverbindungen in benachbarte Orte/Ortsteile gefragt.“(15)
 
Die meisten Wege werden ohne Pkw zurückgelegt; die meisten Fahrten werden zu Versorgungs- und Freizeitzwecken unternommen
  • Etwa 40% aller Wege in der Hannover Region werden zu Fuß oder per Fahrrad zurückgelegt. Zusammen mit dem ÖPNV beträgt damit der Anteil des „Umweltverbundes“ (Fußgänger, Rad- und öffentlicher Verkehr) am Gesamtverkehrsaufkommen über 50%.
  • Weniger als die Hälfte aller Wege im Raum Hannover werden mit dem Pkw zurückgelegt – im Landkreis Hannover 44%, in der Stadt 35% (1990, Fahrer und Mitfahrer; 17f. - auch hierfür liegen keine geschlechterdifferenzierenden Daten vor).
  • „Die überwiegende Zahl von Wegen wird im Einkaufs- und Freizeitverkehr zurückgelegt“ (18, jeweils ca. 30%).
  • „Die klassischen Pendelbeziehungen (Wege von und zur Arbeit/ Schule/ Ausbildung) machen nur noch ca. 30% aller Verkehrsbewegungen aus.“ (18)
 
PROGNOSE
 
Abwanderung von Fahrgästen verhindern – Bewegungsbedarf von Frauen deshalb besonders wichtig
  • „Neben der Gewinnung von Neufahrgästen wird es aufgrund des für den ÖPNV eher negativen Trends ganz wesentlich auch darum gehen müssen, die Abwanderung vorhandener Fahrgäste zu verhindern. Ein besonderes Augenmerk muß dabei auf weibliche Kunden gelegt werden.
  • Frauen sind – als heutige Hauptnutzerinnen des ÖPNV – auch Hauptabwanderungspotential. Die Angebote des ÖPNV müssen deshalb verstärkt dem Bewegungsbedarf von Frauen entsprechen.“ (14)
 
ZIELE UND LEITLINIEN
 
Abbau ungleichwertiger Mobilitätschancen- mit Augenmerk auf Frauen
  • „Ziel ist die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen und Mobilitätschancen für die Bevölkerung des Großraumes.
  • Aufgrund bestehender Benachteiligungen von Frauen ist besonderes Augenmerk auf den Abbau dieser Benachteiligung und die Verbesserung ihrer Mobilitätschancen zu legen.“ (5)
Die Fahrgäste als Ziel des Handelns
  • „Die Bedürfnisse der Fahrgäste müssen – unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit – bei der Gestaltung des Angebotes im Vordergrund stehen. Die betrieblichen Anforderungen haben sich den Fahrgastbedürfnissen unterzuordnen.
  • Das Verkehrsangebot muß sich an den tatsächlichen Alltagsbewegungen der Bevölkerung in unterschiedlichen Lebenssituationen orientieren.
  • Dabei sind die Bedürfnisse nach sozialer Sicherheit zu berücksichtigen. Das bedeutet, daß „Gefahrenorte“ identifiziert, entschärft und bei der weiteren Planung vermieden werden müssen.“ (7)
Als Qualitätskriterien sind anzulegen (8):
  • räumliche Erreichbarkeit (Erschließung)
  • zeitliche Erreichbarkeit (zeitlich passende Angebote)
  • Gesamtreisezeit (Zeitbedarf vom Start bis zum Ziel, nicht nur reine Fahrzeit)
  • technische Gebrauchsfähigkeit (keine Nutzungshemmnisse auf dem Weg von und zur Haltestelle bei Fahrzeugen und Anlagen)
  • soziale Gebrauchsfähigkeit (Ambiente, Bezahlbarkeit, Service, Sauberkeit)
  • soziale Sicherheit (vor Bedrohung, tätlichen Übergriffen)
  • Unfallsicherheit,
  • Betriebsqualität (Pünktlichkeit).
„Die Kundinnen und Kunden sind soweit wie möglich in die Planung mit einzubeziehen“ (8)

Mindestbedienung im Freizeitverkehr und für private Erledigungen
„Orte von Kultur, Freizeit- und Sport sowie Sozialeinrichtungen mit überörtlicher Bedeutung sollen mit öffentlichen Verkehrsmitteln entsprechend dem Bedarf erreichbar sein“ (14).

HANDLUNGSBEDARF UND MASSNAHMEN: QUERSCHNITTSTHEMEN

Gleichstellungsleitlinien seit 1990
„Über Leitlinien für die Herstellung der Gleichstellung von Frau und Mann im Bereich Verkehrsplanung verfügt der Kommunalverband seit 1990 (vgl. Informationsvorlage III/817 vom 30.05.1990). Seitdem wird an der Umsetzung dieser Leitlinien gearbeitet: Einerseits durch Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten, andererseits durch frauenzentrierte Projekte bei Objektplanungen bzw. in der Angebotsplanung.“ (24)

Nichtwahrnehmung von frauenspezifischem Bewegungsbedarf
„Die in der Vergangenheit übliche Ausrichtung des ÖPNV auf den Erwerbsarbeits- und Schulverkehr führte dazu, daß der aus dem Alltag von Frauen resultierende Bewegungsbedarf nicht wahrgenommen wurde. Entsprechende Angebote fehlten deshalb    vor allem in Bereichen mit geringerer Verkehrsnachfrage. Um diese "blinden Flecken" zu erhellen, arbeitet der Kommunalverband mit dem Instrument der "Mängelanalyse aus Frauensicht". Sichtbar wird dadurch Bewegungsbedarf, der bisher nicht durch öffentlichen Verkehr abgedeckt wurde.“ (24)

Instrument der Mängelanalyse aus Frauensicht
„Das Instrument der Mängelanalyse aus Frauensicht ist bundesweit noch in der Entwicklung begriffen; der Kommunalverband beteiligt sich maßgeblich an dieser Entwicklungsarbeit. Ein erster Baustein war die Bedarfs- und Angebotsüberprüfung des öffentlichen Verkehrs in Ronnenberg aus Frauensicht (1994). Exemplarisch ist für die Stadt Ronnenberg frauenrelevante Infrastruktur erhoben und deren Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln abgeglichen worden.“ (24)

Frauenspezifische Fragestellungen im Regionalbuskonzept

Weiterentwickelt wurde dieses Verfahren im Jahr 1996 bei der Erstellung des Regionalbuskonzeptes für den Südwestquadranten. Frauenspezifische Fragestellungen wurden in die Analyse und Konzepterstellung integriert. Ziel war es, das künftige Busangebot auch auf der Grundlage einer geschlechterdifferenzierenden Analyse des Bewegungsbedarfs und möglicher Fahrgastpotentiale zu erstellen (25).

Sicherheit vor (Männer-)Gewalt
„Voranzustellen ist:

  • Gewalt gegen Frauen ist vor allem ein gesellschaftliches Problem.
  • Planerische, bauliche und technische Maßnahmen reichen nicht aus, um diese Gewalt abzuschaffen. Sie können jedoch der Gewalt gegen Frauen Hindernisse entgegenstellen und ihnen Mut machen.
  • In diesem Handlungsfeld geht es zunächst darum, „Gefahrenorte“ zu identifizieren, um sie zu entschärfen und bei weiteren Planungen vermeiden zu können.
  • Ziel der Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Frauen ist es, das tatsächliche oder vermutete Entdeckungsrisiko für potentielle Täter insbesondere durch soziale Kontrolle zu erhöhen: Vorrangig durch Belebung und Erhöhung der Aufenthaltsqualität.“ (26)
Kritik von Nutzerinnen am Bahnhof Wunstorf – bei der Planung neuer Stationen genutzt

„Im Projekt "Frauen abends unterwegs" wurde 1990 am Beispiel des Bahnhofes Wunstorf untersucht, wie eine solche Verkehrsanlage aussehen müßte, damit Frauen sie angstfrei benutzen können. In einer "Bürgerinnenwerkstatt" erarbeiteten Wunstorferinnen eine Mängelanalyse und Änderungsvorschläge, deren Umsetzung vor allem von der örtlichen Frauenbeauftragten betrieben wurde.
  • Die dort gewonnenen Erkenntnisse wurden in der Folge für die Planung neuer Verkehrsanlagen genutzt, insbesondere bei der Gestaltung der neuen S-Bahn-Stationen.
  • Der Kommunalverband ist sich bewußt, daß Frauen sehr sicherheitssensible Nutzerinnen sind, und die subjektive Sicherheit ein zentrales Kriterium für ihre Verkehrsmittelwahl ist.
  • Der KGH wird auch zukünftig alle Möglichkeiten nutzen, den Kundinnen angstfreie Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.“ (26)

Kommunikation zwischen Planenden und Nutzerinnen

  • Entwickelt werden Wege der Kommunikation zwischen Planenden und Planungs-betroffenen, bei denen die Einbeziehung von Frauen sichergestellt ist.
  • Planen für Frauen, mit Frauen, von Frauen ist der Leitgedanke.
  • Das erste Experiment in dieser Richtung war die oben beschriebene Bürgerinnen-Werkstatt in Wunstorf „Frauen abends unterwegs“
  • In den Projekten "Frauen gewinnen Bewegungsfreiheit" (Hannover-Linden) und "Ronnenbergerinnen werden mobil" wurden Mobilitätsbedarf und -hindernisse von Frauen untersucht. Beteiligt waren Frauen aus einem stark verdichteten Stadt- bzw. Ortsteil einer ländlicheren Kommune.
  • Der nächste Schritt war die Übertragung dieser Ansätze in das Verfahren bei Angebotsplanungen. Bei der Angebotskonzeption für den Regionalbus im Südwestquadranten wurde für alle Kommunen eine Mängelanalyse aus Frauensicht erarbeitet, aus der Hinweise für die Planung abgeleitet werden konnten. Daran wird bei den weiteren Schritten des Regionalbuskonzeptes angeknüpft werden.




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