Dipl. Pol. Katja Striefler/ Referentin für Gleichstellungsfragen
Kommunalverband Großraum Hannover:

Fragen an konkrete Planungsvorhaben

Dieser Fragenkatalog wurde während der Aufstellung des Regionalen Raumordnungsprogrammes 1996 erarbeitet. Der Fragenkatalog kann für die Beurteilung städtebaulicher Rahmenplanungen, konkreter Bauleitplanung, Objektplanungen und anderer Planungen verwendet werden.

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1. Wie wirkt das Geplante auf Erwerbsarbeitsplätze von Frauen?

Lage, Zuordnung und Erreichbarkeit der Arbeitsstätten haben große Auswirkungen auf die räumliche Situation von Frauen – darüber wird aber überwiegend außerhalb der räumlichen Planung entschieden.

  • Wird durch die Planung die Erreichbarkeit von Frauenerwerbsarbeitsplätzen verbessert oder verschlechtert?

  • Führt die Planung zu einem besseren oder schlechteren Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten, sozialen und sonstigen Dienstleistungen?

Postverteilzentrum Pattensen - ein Beispiel für die Grenzen räumlicher Planung

Die Verlagerung des Postverteilzentrums bei gleichzeitiger Rationalisierung sichert Arbeitsplätze von Frauen in der Region Hannover - gleichzeitig werden allerdings bisherige Untergliederungen in anderen Orten geschlossen.

Die Verlagerung vom zentralen Standort ZOB Hannover in ein Gewerbegebiet am Rande des Verdichtungsraumes verschlechtert die Erreichbarkeit der Arbeitsplätze - die Beschäftigten sind überwiegend Frauen.

Die bisher vorhandene Nähe von Wohnen und Arbeiten wird für viele Beschäftigte entfallen - was im Zusammenwirken mit der verlängerten Wegzeit besonders für diejenigen Frauen, die nachts arbeiten, um für ihre Kinder tagsüber dasein zu können, eine erhebliche Belastung darstellt.

2. Wie wirkt das Geplante auf Versorgungsarbeit?

Unter Versorgungsarbeit wird zum Beispiel Wäschepflege, Hausputz, Einkaufen, Behördengänge, Schulwegbegleitung, Pflege von Alten und Kranken, Betreuung und Ausbildung von Kindern verstanden. Die Bedingungen für die Versorgungsarbeit werden durch räumliche Planung auf allen Ebenen beeinflußt.

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung die Erreichbarkeit der für die Versorgungsarbeit aufzusuchenden Orte? (Einkauf für den täglichen Bedarf, Spielplatz, Kindergarten, Arztbesuche, Kinderturnen, Altenheim, Reinigung, Paketabholung, ...)

  • Verkürzt oder verlängert die Planung den Zeitaufwand für das Erreichen der für die Versorgungsarbeit aufzusuchenden Orte? Hierbei sind die Interessen der bereits Wohnenden und die der neu Zuziehenden zu beachten.

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung die Aufenthaltsqualität von Straßen und anderen öffentlichen Räumen - die ja Arbeitsplätze für die Versorgungsarbeit sind?

  • Wird durch die Planung die Versorgung mit selbständig erreichbaren Sport- und Spielmöglichkeiten für Jugendliche und Kinder verbessert oder verschlechtert?

Beispiel: Der Bau einer Umgehungsstraße - positive und negative Wirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen

Die innerörtlichen Straßen werden entlastet, die Aufenthaltsqualität dort steigt, zum Beispiel können schon kleinere Kinder allein Einkäufe erledigen.

Der Schulweg kann sicherer werden und so entfällt der "Bringedienst".

Der Autoverkehr wird mehr - dadurch steigen die Belastungen durch Verlärmung der anliegenden Wohngebiete.

Auf den neuen Straßen wird in der Regel höheres Tempo zugelassen - dadurch entstehen Trennwirkungen bzw. Barrieren - was dazu führen kann, daß Kinder bestimmte Radwege nicht mehr allein zurücklegen können. Gegebenenfalls müssen Umwege in Kauf genommen werden.

3. Wie wirkt das Geplante auf die Bewegungsfreiheit von Frauen?

Die Bewegungsfreiheit von Frauen wird überwiegend durch regionale und kommunale Planungen (wie städtebauliche Rahmenplanung, konkrete Bauleitplanung und Objektplanung) beeinflußt. Wenn Orte beziehungsweise Einrichtungen optimal erreichbar sein sollen, müssen sie autofrei; zu den Zeiten, an denen sie genutzt werden (das heißt bei Arbeitsplätzen z.B. von Putzfrauen oder von teilzeit Arbeitenden: auch außerhalb der "Hauptverkehrszeit"!); sicher und auch aus benachbarten Orten/ Ortsteilen erreicht werden können.

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung die Erreichbarkeit von "Frauenorten"?
    Beispiele: Frauenzentrum, Turnhalle, Begegnungsstätten, Cafe, Volkshochschule

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung die Erreichbarkeit von Nutzungszentren?
    Beispiele: Einkaufmöglichkeiten, Theater, Gemeindeverwaltung, Bücherei.

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung die Mobilitätsbedingungen von FußgängerInnen, RadfahrerInnen und Bus- und Bahn - Fahrenden?
    Frauen legen ihre Wege überwiegend zu Fuß, mit dem Rad sowie mit Bus und Bahn zurück.

  • Erleichtert oder erschwert die Planung die Kombinierbarkeit von Wegen? Frauenalltag ist durch die Kombination unterschiedlicher Lebensbereiche gekennzeichnet: ein Weg, viele "Erledigungen".

  • Sichert oder gefährdet die Planung die nächtliche Benutzbarkeit zentraler Wegeverbindungen für Frauen mit den für Frauen wesentlichen Verkehrsmitteln?
    Frauen wählen ihre Verkehrsmittel unter dem Gesichtpunkt der Sicherheit vor Männergewalt. Sie sind sehr sicherheitssensible Nutzerinnen und reagieren häufig mit Vermeidung auf Räume, die sie als unsicher einschätzen.

4. Wie wirkt das Geplante auf Freiräume und die Erreichbarkeit von Freiräumen?

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung das Angebot an wohnungsnahen Freiflächen?

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung die autofreie Erreichbarkeit (d.h.: eigenständige Erreichbarkeit für Kinder!) von Spiel- und Erholungsräumen wie Wiesen, Wasser, Bäume..?

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung die Qualität der öffentlichen Freiräume: wird der Aufenthalt für Frauen dort angenehmer, die Nutzungsmöglichkeiten vielfältiger?

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung das Angebot an (nicht privaten bzw. nicht kommerziellen) Kommunikationsräumen?

  • Verbessert oder verschlechtert die Planung die autofreie Erreichbarkeit auch der großen Erholungs- und Freizeiträume (d.h. auch: werden diese Räume durch barrierenbildende Straßen oder Bahntrassen "abgehängt")?

Beispiel: Bebauung einer bisher wohnungsnahen Grünfläche mit einem großen Wohnungsbauprojekt

Im Großraum Hannover werden Siedlungserweiterungen grundsätzlich an zentralen Orten vorgenommen - in der Regel im erweiterten Einzugsgebiet des schienengebundenen Personennahverkehrs. Dies geschieht, um weitere Zersiedelung zu vermeiden - und die daraus folgenden langen Wege, aufwendige Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Probleme mit der sozialen und kulturellen Infrastrukturausstattung. Damit werden der Region Freiräume erhalten.

Die Freiraumsituation der AnrainerInnen verändert sich bei Siedlungserweiterungen grundlegend. Einerseits entstehen neue Radwegeverbindungen; neue Spielplätze verbessern die Möglichkeiten für Kinder, schon früh ohne Aufsicht zu spielen. Andererseits werden die Wege zu größeren Grünflächen länger, oft ist auf dem Weg dorthin eine vielbefahrene Straße zu überqueren; durch höheres Verkehrsaufkommen werden Straßen in den angrenzenden Wohngebieten in ihrer Aufenthaltsqualität beeinträchtigt. Für kleinere Kinder entfällt hier der Spielplatz "Straße".

  • Wenn für die Siedlungsentwicklung hochwertiger Freiraum in Anspruch genommen wird: wird als Ausgleich dafür (auch für die bisherigen NutzerInnen) neuer bedarfsgerechter Freiraum zur Verfügung gestellt?

Zuerst veröffentlicht als:

Katja Striefler, Handreichung für frauenbezogene Stellungnahmen zum Regionalen Raumordnungsprogramm Großraum Hannover 1996 in den Kommunen, unter Mitarbeit von Uta Bornscheuer, Eva Ehrenberg und Kerstin Murken, Typoskript, Hannover 1996

 

Ansprechpartnerin: Katja Striefler, c/o Referat für Gleichstellungsfragen, Kommunalverband Großraum Hannover, Arnswaldtstr. 19, 30159 Hannover, Telefon 0511/ 3661-223




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