"Sicher mit Bus und Bahn unterwegs"
Eckpunkte aus dem Rahmenkonzept des Kommunalverbandes Großraum Hannover

Von Angela Fuhrmann (Beratung, Moderation und Planung im Nahverkehr)




Rundbrief PlanungsFachFrauen Mai 2000 (Kurzfassung)




Das Rahmenkonzept wurde1999 im Auftrag der Referentin für Gleichstellungsfragen von Angela Fuhrmann, Gabor Rossmann und Heike Mänz erarbeitet. Es basiert auf Literaturrecherchen, auf der Auswertung von Ereignissen, Pressemeldungen und aktuellen Fachdiskussionen sowie auf Erfahrungen aus der Arbeit mit unterschiedlichen Fahrgastgruppen und von Gewalt Betroffenen. Die Ergebnisse der Analyse sind in Thesen zusammengefasst:

Auszüge aus den Thesen

Öffentliche Verkehrsmittel und Haltestellen sind ein herausragender Teil des öffentlichen Raumes. Grundsätzliche Angst spitzt sich bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu, da sich dort einander fremde Menschen auf verhältnismäßig kleinem Raum begegnen und nur bedingt ausweichen können. Deshalb sind die Erwartungen der Fahrgäste an die Sicherheit in Bus, Bahn und Station auch besonders hoch.

Sicherheit aus der Fahrgastperspektive

  • Aus Fahrgastsicht gibt es nur eine Sicherheit. Die Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Sicherheit ist den Fahrgästen nicht vermittelbar und hat keinen Einfluß auf ihr Verhalten und ihre Verkehrsmittelwahl.
  • Weibliche Fahrgäste sind besonders sicherheitssensibel. Vor allem jugendliche Mädchen und ältere Frauen meiden bestimmte Verkehrsmittel und Wege.
  • Für die Fahrgäste entscheidend ist die Befürchtung, verletzt zu werden.
  • Verletzungen der Umgangsformen werden von direkt Betroffenen, Zeuginnen und Zeugen spontan als Irritation wahrgenommen und im weitesten Sinne als eine Gefährdung der eigenen Sicherheit erlebt.
  • Gewalt beginnt "im Kleinen" - mit Verletzungen eines respektvollen Umgangs miteinander. Die sogenannten Grenzverletzungen müssen daher im Zentrum von Analysen und Strategien stehen.

Wohlbefinden und einladende Atmosphäre

  • Wohlbefinden ist eine notwendige Voraussetzung für Sicherheit im öffentlichen Raum.
  • Wohlbefinden und damit Sicherheit entsteht durch die Anwesenheit oder Erreichbarkeit angenehmer Menschen. Eine heterogene Zusammensetzung der Fahrgäste steigert das Wohlbefinden.
  • Wohlbefinden entsteht durch eine helle, freundliche, farbige Atmosphäre in der Gestaltung des Umfeldes. Entsprechende planerische, bauliche und technische Maßnahmen können Fahrgäste zur räumlichen Aneignung einladen.
  • Wohlbefinden entsteht durch sichtbares und schnelles Reagieren auf Verschmutzung, Müll und Zerstörung durch Vandalismus.
  • In Ballungsräumen ist zu beobachten, dass sich bei weiblichen Fahrgästen - vor allem abends - eine Hierarchie der Verkehrsmittel herausgebildet hat: oberirdisch vor unterirdisch, Straßenbahn vor S-Bahn, Bus vor Stadt- bzw. Straßenbahn.
  • Zugunsten der Wahl des "sichersten" Verkehrsmittels nehmen Frauen und Mädchen zum Teil auch tagsüber eine deutlich längere Reisezeit in Kauf.

Ziel potentieller Maßnahmen: Wohlbefinden erhöhen - Grenzverletzungen erschweren

Einerseits ist gegenseitige Wertschätzung und Rücksichtnahme, ein respektvoller Umgang miteinander zu etablieren. Andererseits muss vermittelt werden, dass Grenzverletzungen geahndet und Grenzsetzungen unterstützt werden.

  • Unsicherheit entsteht, wenn ein handelnder Mensch glaubt, nicht mehr handeln zu können. Sicherheitsmaßnahmen sollen daher die Handlungsmöglichkeiten der Fahrgäste erweitern.
  • Fahrgäste hören und lesen immer wieder "dass etwas passiert ist" . Dies erzeugt Unsicherheit. Es ist ein Gegenpart nötig, der Sicherheit auf sensible Art in der Öffentlichkeit thematisiert und konkrete Handlungsmöglichkeiten anbietet. Tabuisierung von Ereignissen hilft nicht.
  • Bislang muß jede Person für sich individuelle Strategien für den Umgang mit Unsicherheit im öffentlichen Raum finden. Orientierungshilfen und das Angebot konkreter Handlungsstrategien – auch für kollektives oder solidarisches Handeln – geben Unterstützung.
  • Der Grad der Hilfsbereitschaft wächst mit dem Grad der Bekanntschaft und der Kommunikationsfähigkeit unter den beteiligten Zeugen. Auch deshalb ist es wichtig, Kommunikation zwischen und mit den Fahrgästen zu erleichtern.

Die Rolle des Personals

  • Das Personal selbst sieht sich zunehmend gefährdet und fühlt sich verletzbar.
  • Die Sicherheit der Fahrgäste und die eigene Sicherheit sind wichtige Faktoren für die Zufriedenheit des Personals. Die Zufriedenheit des Personals, insbesondere der Fahrer und Fahrerinnen, hat deutlichen Einfluß auf die Dienstleistungsqualität des ÖPNV.
  • MitarbeiterInnen müssen die Möglichkeit haben zu lernen, bedrohlichen Situationen mit Selbstsicherheit und Kompetenz zu begegnen. Diese Fähigkeit darf nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

Sicher mit Bus und Bahn unterwegs: Handlungsmöglichkeiten (in Kategorien)

  • Handlungen, die unter dem Sicherheitsaspekt eine Optimierung im baulich-technischen Bereich zum Ziel haben.
  • Handlungen, deren Ziel die Durchsetzung und Einhaltung geltender Gesetze und allgemein anerkannter Wertmaßstäbe ist.
  • Handlungen, deren Ziel eine umfassende Qualifizierung des Personals, eine weitgehende Information der Fahrgäste, die Vermittlung von Verhaltensregeln und -möglichkeiten oder/und die Förderung des Gemeinsinns ist.
  • Handlungen mit dem Ziel, sowohl den Kunden/die Kundin als auch die beruflich agierende Person zu ermutigen, verantwortungsvoll zu handeln, aktiv für sich und andere einzutreten sowie positiv den öffentlichen Raum einzunehmen und damit auch den ÖPNV zu nutzen.

Beispiele

Aktivitäten zur Steigerung der Sicherheit sind wertlos, wenn sie den Fahrgästen nicht bekannt sind. Deshalb müssen alle Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit durch intensive - selbstredend: problemangemessene - Information und Kommunikation über die vorhandenen Einrichtungen eingeleitet und begleitet werden. Darüber hinaus wird folgendes empfohlen

  • Einrichtung einer Informationssammelstelle (auch anonyme Meldungen von Ereignissen)
  • Auswertung von Beschwerden
  • Zivilcourage/ solidarisches Verhalten unter Fahrgästen
  • Veranstaltungen zum Austausch zwischen Verkehrsunternehmen und Fahrgästen.

Die Analyse und der formulierte Handlungsbedarf beziehen sich auf die Erhöhung der Sicherheit für alle Fahrgäste. Zwar werden die Anliegen von Frauen hervorgehoben - weil diese Gruppe besonders sicherheitssensibel ist und weil sie die größte Gruppe unter den Fahrgästen bilden. Es ist aber davon auszugehen, dass viele Veränderungen, die aufgrund der Wahrnehmungen weiblicher Fahrgästen entwickelt werden, auch anderen Fahrgastgruppen zugute kommen. Das Konzept wendet sich auch nicht an die Frauen als Fahrgäste, sondern in erster Linie an die professionellen Akteure auf allen Ebenen.

Das Rahmenkonzept wurde im Dezember 1999 erstmals präsentiert. Beim KGH arbeitet seit Februar 2000 die Projektgruppe "Ziel:sicher" an der Umsetzung der Ergebnisse des Rahmenkonzepts.




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